Als die Literaturzeitschrift »Sinn und Form« 1999 das 50-jährige Bestehen feierte, konnten die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf eine erfolgreiche, turbulente und zum Teil widersprüchliche
Geschichte zurückblicken. Ähnlich widersprüchlich waren auch die Bewertungen, die die Aka-
demiezeitschrift durch die Jahrzehnte begleiteten: sprach Marcel Reich-Ranicki 1962 von einer
»stille(n) Enklave des Liberalismus«, sah Alfred Kurella ein »Kampforgan der Kulturpolitik«.
Der vorliegende Band von Matthias Braun beschäftigt sich, der Chronologie folgend, mit den
unterschiedlichen Phasen der Traditionszeitschrift: beginnend mit Peter Huchels Vision einer ge-
samtdeutschen Literaturzeitschrift über die langen Jahre unter dem Literaturwissenschaftler und
Kulturpolitiker Wilhelm Girnus (von 1964-1981) bis zu den Veränderungen Ende der 1980er
Jahre und der Neupositionierung im gesamtdeutschen Zeitschriftenmarkt nach 1990. Im Mittel-
punkt stehen dabei, neben der Darstellung interner Debatten um Profil und Position der Zeit-
schrift, die Möglichkeiten und Grenzen der Tätigkeit der jeweiligen Redaktionen unter den kon-
kreten gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie den wechselnden Strömungen der
Kulturpolitik. Erstmalig wird dabei der Einfluss der Staatssicherheit untersucht. Der grundsätz-
liche normative Anspruch der Vorstellungen der SED stand zu keinem Zeitpunkt dieser Ge-
schichte zur Disposition. Lediglich der Grad der Kontrolle veränderte sich und das Methoden-
arsenal bei der Durchsetzung des Meinungsmonopols: Überwogen in den fünfziger und sechziger
Jahren noch die groben Formen der Repression (Verhaftungen und hohe Freiheitsstrafen), so
bevorzugte die Staatssicherheit in den siebziger und achtziger Jahren immer häufiger Formen
der leisen, verdeckten Repression.